Category Archives: Reiselust

Glaspaläste und Holzbaracken

Die Bahnhöfe der Welt spiegeln das Lebensgefühl der Reisenden

Mit der Erfindung der Eisenbahn ging die Schaffung von festen Orten einher, an denen ein- und ausgestiegen werden konnte. Und da hier in der Regel viele Menschen zusammenkommen und wartend verweilen, entwickelten sich diese Stationen nach und nach zu bedeutenden Treffpunkten. Vor allem in Europa, später auch in der Neuen Welt, waren sie alsbald auch Zeugnisse der Baukunst ihrer Epoche.

In dem Bildband „Die Bahnhöfe der Welt“ beschreibt Martin Weltner „spektakuläre Hauptbahnhöfe“ und „erstaunliche Provinzstationen“ auf allen Kontinenten. Während die aus den Anfängen der Eisenbahngeschichte noch erhalten gebliebenen Gebäude durchaus als sehenswerte Baudenkmäler gelten können, so liegt das Faszinosum der modernen Anlagen in ihrer Funktionalität.

Anderswo haben unrentable Bahnstrecken dazu geführt, dass es mancherorts keine Bahnhofsgebäude mehr gibt oder ihr trostloser Zustand davon zeugt, welche unbedeutende Rolle der Zugverkehr hier spielt. In weiten Teilen Afrikas war das zum Beispiel nach dem Ende der Kolonialzeit der Fall.

Somit ist „Bahnhöfe der Welt“ auch ein Geschichtsbuch. Sagt doch der Stellenwert des Schienenverkehrs eine Menge über den Entwicklungsstand eines Landes aus.

Martin Weltner, Bahnhöfe der Welt, GeraMond Verlag GmbH, München 2020. ISBN 978-3-96453-083-7, 191 Seiten, 39,99 Euro.

Unbekannte Orte in Italien

Gerade wenn man nicht so kann, wie man will, wecken Bildbände von den schönsten Orten der Welt die Reiselust umso schmerzlicher. So geht es mir mit dem Italien-Bildband von Thomas Migge „Italien – 60 charmante Städte abseits des Trubels“. Wer dabei nur an entlegene unberührte Bergdörfer denkt, wird überrascht. Genua, Neapel und Rom kommen auch vor, aber nicht mit ihren wohlbekannten Touristen-Hotspots sondern mit Attraktionen, die man ohne Insidertipp vielleicht nicht finden würde. Das ist in Rom zum Beispiel die Cloaca Maxima aus dem siebten Jahrhundert und damit wohl die älteste Kanalisation der Welt. Und Genua, das viele nur als Hafen kennen, von dem aus sie per Kreuzfahrt oder Fähre zu anderen Zielen aufbrechen, ist reich an Kunstschätzen und Palästen.

Die Texte sind ebenso appetitanregend wie die kunstvollen Fotos. Auch die grafische gestaltung ist ansprechend. Aber das Wichtigste für Möchtegernedorthinreisende sind die Kontaktadressen, über die man jeweils weitergehende Informationen erhält und teilweise auch Führungen buchen kann.

Wäre der Bildband mit seinen knapp 200 Seiten und seiner über DinA4 hinausragenden Größe nicht so unhandlich und schwer, er gehörte unbedingt in den Rucksack eines jeden Italienliebhabers. Aber zur Vorbereitung der nächsten Reise und für die Vorfreude darauf taugt er hervorragend.

Thomas Migge, Secret Citys Italien. 60 charmante Städte abseits des Trubels, Bruckmann-Verlag 2020, ISBN 978-3-7343-1984-6, 29,99 €

Am Strand gibt’s keine Einbahnstraßen

So eine Saison! Erst gab es gar keine Touristen und dann plötzlich den Massenansturm. Darunter viele Menschen, die noch nie auf Sylt waren, die Corona sei Undank gezwungenermaßen das geliebte Malle, den Goldstrand oder Antalya gegen einen Urlaub an der Nordsee eintauschen mussten. Aber wenn schon kaltes Meer ohne Sonnen- und Temperaturgarantie, dann wenigstens die bekannteste Insel von allen, die, wo vermeintlich am meisten los ist. Die, von der man am meisten zu wissen glaubt: Sylt also.

Sie machen Anfängerfehler. Sie sind nicht vertraut mit den Gezeiten, der Gewalt des Meeres und dem Küstenschutz sowie anderen “Spielregeln”, die hier herrschen. Kurz, man sieht ihnen an, dass sie zum ersten Mal hier sind.

Das fängt schon in Niebüll bei der Autoverladung an. Roter Zug, blauer Zug – hektischer Spurwechsel. Und wenn das Auto auf dem Zug eingewiesen und zum Stillstand gekommen ist – was macht man dann? Die freundlichen Durchsagen weisen darauf hin, die Scheinwerfer auszuschalten, aber das Lenkradschloss nicht einrasten zu lassen. Das heißt für manche Unwissende: Die Klimaanlage des Fahrzeugs läuft weiter, je höher die Außentemperatur, um so intensiver. Die böse Überraschung bei der Ankunft in Westerland nach 45 Minuten? Die Batterie ist leer. Das Auto lässt sich nicht starten. Alle, die dahinter stehen, freuen sich mit. Es dauert, bis ein “Liegenbleiber”, so nennen es die freundlichen Verlademitarbeiter, vom Zug runter ist. Herzlichen Glückwunsch, Neuling! Das Abenteuer Sylt kann – wenn auch mit Verspätung – beginnen.

Mehr Kunden, weniger Mitarbeiter. Eigentlich ist man es auf der  Insel gewohnt, jeden Tag frische Brötchen zu bekommen. Das sei nicht durchzuhalten, hört man vom größten Bäcker auf Sylt. Mitarbeiterinnen fielen aus, weil sie zu Hause ihre Kinder betreuen mussten, als die Krippen und Horte geschlossen waren. Auch war ein höherer Krankenstand zu beklagen. Aber mindestens ein freier Tag pro Woche steht allen zu. Jetzt bleiben die Bäckereien sonntags geschlossen, und es ist kein Drama. Schließlich ist es jetzt der einzige Tag in der Woche, der auch für die Touristen anders beginnt als in der Warteschlange vor der Bäckerei.

Nun ist in der Sonne zu stehen nicht unbedingt ein Problem. Aber anders, als wenn sich alle in einem Ladenlokal drängen, kommt einem die Warterei länger vor. Vielleicht liegt es nur daran, dass man sich die Zeit nicht damit vertreiben kann, das Angebot zu studieren oder die Frühstücksvorlieben der vor mir ihre Bestellungen aufgebenden Menschen kennenzulernen. Vielleicht dauert es aber tatsächlich länger, weil ich ein ganz bestimmtes Gebäck im Sinn habe und erst, wenn ich vor der Theke stehe, erkennen muss, dass es ausverkauft ist. Was nehme ich alternativ, vor allem für meinen Miturlauber, der draußen wartet. Mal eben zur Tür, und der Dialog beginnt: “Kieler sind aus, was möchtest du alternativ?” “Was haben sie denn sonst?” Was soll man darauf antworten, soll man in den Laden hineinrufen “Was haben Sie denn sonst”? Mit Maske kommt die Frage nicht bei der gleichbleibend freundlichen und geduldigen Verkäuferin an, und ihre Aufzählung nicht bei mir. Schließlich nimmt man irgendwas, damit das Murren der anderen Wartenden endlich verstummt. Schließlich hat man ja Urlaub, und alles ist irgendwie lecker bei diesem Bäcker.

20200920_120057[1]Dass es auf der Insel meistens windig ist, wissen auch Touristen. Deshalb gibt es hier Bügel, mit denen die Flügel von Schwingtüren zusammengehalten werden.  Diese Art des Verschlusses ist aber den meisten Menschen aus anderen Teilen der Welt fremd. Folglich macht sich kaum jemand die Mühe, das Törchen nach dem Eintreten oder beim Verlassen wieder zu schließen. Warum ist das eigentlich so schwer?

Nicht jedes Seehundbaby ist ein Heuler. Alle, die noch gestillt werden, deren Mütter nur gerade auf Fischfang sind, heulen nicht. Aber wenn eines heult, dann gilt: Hände weg und 112 anrufen. Zum Glück wurde in diesem Sommer kein Heuler auf Sylt gefunden. Aber Seehunde kann man vor Sylt beobachten – zum Beispiel bei einer Fahrt zu den Seehundsbänken, manchmal aber auch von der Sylt-Fähre aus. Die wird übrigens bald ausgemustert und nach Griechenland verkauft. Schon im nächsten Jahr soll es gasbetriebene moderne Schiffe geben, die Rømø und List verbinden.

Auch auf Sylt haben Geschäfte und Restaurants Einbahnstraßen eingeführt, um die Besucherströme zu leiten. Wer mehrere Türen hat, lässt die Menschen durch die eine eintreten und durch die andere das Lokal verlassen. Orientieren soll man sich an den Pfeilen auf dem Boden. Das endet zuweilen in einer Art Labyrinth, und wehe, es fehlen schon ein paar dieser Markierungen.

Wer zum Beispiel die Regelungen rund um den Baldeneysee oder auf dem Rheinboulevard in Köln kennt, darf aber am Meer aufatmen. Für den Strandspaziergang  wird keine Richtung vorgegeben, und man darf den Strand an jedem Aufgang betreten und auch wieder verlassen. Für das Zeremoniell des Sonnenuntergang-Schauens auf der Promenade am Westerländer Hauptstrand würde man sich die Einbahnstraße oder zumindest ein Rechtslaufgebot allerdings wünschen.

Spurensuche in einer Zwischenwelt

Die Alpen. Eine europäische Region im Wandel. Sie befindet sich in der geografischen Mitte des Kontinents, gilt aber wirtschaftlich als Randregion. Zeugen ihrer wechselhaften Geschichte sind die vielen verlassenen, verfallenen und zerstörten Bauten, denen man in den Piemonteser  Tälern genauso begegnet wie in der Provence oder im Berchtesgadener Land.

Zauber des Vergänglichen: Die “Lost Places” bilden eine geheime Gegenwelt zu unserer getakteten, von rechten Winkeln und Algorithmen, von Vorschriften und Verboten dominierten Welt, die alles Unsichere, Mystische ausblendet.

Als Zeitreisender ohne unsere Welt zu verlassen hat sich Stefan Hefele auf diese Zwischenwelt eingelassen. Er porträtiert sie wie ein Maler und fängt viel Atmosphärisches ein. Das ist Kunst – Fotokunst. “Sind es nicht die Gegensätze, die das Leben erst lebenswert machen?” fragt er und richtet seinen Fokus nicht nur auf Gebäude, sondern auch auf Wege und Straßen. Einst führten sie als Lebensadern zu Villen, Fabriken, Sportstätten und Bauernhäusern. Jetzt enden sie im Nirgendwo.

Welche Geschichten sind mit den “Lost Places” verbunden? Warum wurden sie aufgegeben und dem Zerfall überlassen? Das Buch “Geisterhäuser” ist eine Einladung, einigen dieser Geheimnisse nachzuspüren. Im Anhang finden sich detaillierte Anreisebeschreibungen. Die Autoren Stefan Hefele und Eugen E. Hüsler weisen  ausdrücklich darauf hin, dass Besucher der beschriebenen Orte  keinen Hausfriedensbruch begehen.

Stefan Hefele, Eugen E. Hüsler: Geisterhäuser. Verlassene Orte in den Alpen, Bruckmann Verlag GmbH, München 2018. 49,99 Euro.

 

 

Warschau im Schnelldurchgang

Ein kurzes, aber randvolles Wochenende verbrachte eine Gruppe von (Handwerks-)Journalisten in Warschau. Für die meisten war es der erste Besuch in der Stadt, deshalb war die dreistündige Wanderung auf dem “Königsweg” ein Muss.

Neben der Geschichte spielte für uns natürlich auch die Politik eine Rolle. Unsere Gesprächspartnerinnen Monika und Agnes sprachen sowohl die aktuellen Entwicklungen an als auch deren Parallelen zu längst überwunden geglaubten historischen Vorbildern.

Warschau ist ein Hort der Geschichte und Architektur. Der Kulturpalast ist das Wahrzeichen der Stadt und mit 237 Metern Polens höchstes Gebäude. Er wurde in nur drei Jahren (1952 bis 1955) gebaut und war ein Geschenk der Sowjetunion. Von seiner Aussichtsplattform genießt man einen herrlichen Rundblick über die Stadt, und die Hochhäuser des Bankenviertels wirken viel kleiner, als sie von der Straße aus betrachtet scheinen. Das moderne Wahrzeichen der Stadt steht auf der anderen Seite der Weichsel: das Nationalstadion. Es wurde zur Fußball-Europameisterschaft 2012 errichtet und wird heute als Zentrum für sportliche Freizeitangebote genutzt.

Nicht nur architektonisch, vielmehr auch der Aufbereitung seines Inhalts wegen, ist der Besuch im POLIN ein Muss. Das Museum der Geschichte der polnischen Juden ist erst 2015 fertiggestellt und jüngst mit dem Award “Bestes Museum der Welt 2016” ausgezeichnet worden. Es hat seinen Platz genau dort gefunden, wo einst das grausamste Kapitel der jüdischen Geschichte in Warschau geschrieben wurde, gegenüber dem Denkmal der Helden des Ghettos. Hier streift uns auch die deutsche Ostpolitik. Eine Bronzetafel am Denkmal erinnert an Willy Brandts Kniefall am 7. Dezember 1970.

Nicht nur im Sommer spielt Chopin in Warschau eine große Rolle. Einige seiner bekanntesten Stücke erklingen auf Knopfdruck aus Marmorbänken , die in der Stadt verteilt sind. Und jeden Abend gibt es mindestens ein Chopin-Konzert in der Stadt. Wir waren im Schloss, wo die Jungpianistin Katarzyna Kzaszewska innerhalb von 60 Minuten durch elf Stücke fegte. Auf dem Rynek erklang hingegen Popmusik der 70er Jahre: Es spielten die “Rolling Stones”, allerdings fest angeleint.

Kulinarisch kommt man in Warschau natürlich auch auf seine Kosten, da muss man nicht lange suchen. Einige von uns verbrachten ihre Freizeit gerne mit einer heißen Schokolade im Café Wedel. Auch die Pieroggen fanden Zuspruch. Mein persönliches Highlight: Fidel’s Star im Restaurant “Pod Czerwonym Wiprzim”. Für das berühmte Café Blikle und einen Besuch bei der Sterneköchin Magda Gessler reichte diesmal die Zeit nicht. Aber für den letzten Wodka des Tages in der Hotelbar des “Polonia Palace” immer.

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Fotos: Hans-Jürgen Basdorf, Christoph Lütgert, Ute Maciejok, Beate Schmies, Andrea Wolter

Krakauer Impressionen

10. Juni

Die Pressereise nach Krakau begann in Katowice. Kölns Partnerstadt ist voller Gegensätze. Die Bausünden der Vergangenheit sind noch nicht getilgt. Neben schönen, restaurierten Backstein- und Jugendstilfassaden stehen Plattenbauten, die man dem Verfall preisgibt. Gegensätzliches auch beim EinKaufen: Hier das moderne Shopping-Center, dort traditionelle Fischräuchereien unter freiem Himmel.

Wie anders ist es doch in Krakau! Die Stadt umfing uns sofort mit ihrem Charme. Erste Anlaufstelle war natürlich der Rynek mit der Tuchhalle.

 

Den ersten Abend verbrachten wir im “Morskie Oko”, einem zünftigen Lokal, das wir ohne Insidertipp polnischer Freunde sicher nicht entdeckt hätten.

Der Tisch direkt bei der Musikgruppe machte zwar Gespräche anstrengend, dafür waren aber das Essen und der Service super – die Stimmung auch.

11. Juni

Ein intensiver Besichtigungstag:

Den Vormittag verbrachten wir unter der Erde. Unter Tuchhalle und Marktplatz taucht man in das mittelalterliche Krakau ab. Die Geschichte der Stadt ist hier am Originalschauplatz multimedial aufgearbeitet, beeindruckend.

Von ganz unten ging es am Nachmittag zügig nach ganz oben. Vom Wawel hat man nicht nur einen herrlichen Blick auf die Stadt, man kann ihn natürlich auch besichtigen.

Wir hatten eine private Führung gebucht. Ich habe noch nie in so kurzer Zeit so viele wertvolle Gemälde und Wandteppiche gesehen. Wir verdanken sie König Sigismund, der die riesigen Gobelins im 16. Jahrhundert sammelte und sie in Brügge anfertigen ließ.

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Höhepunkt der Führung: Die Dame mit dem Hermelin. So nah wie auf diesem Foto kommt man dem kleinen Gemälde von Leonardo da Vinci jedoch nicht. Es hängt einsam in einer Kammer, bewacht von einem bis an die Zähne bewaffneten Sicherheitsbeamten.

Am Abend fuhren wir in einen Randbezirk, wo wir in dieser Kirche einem Orgelkonzert mit Werken von Bach, Blow, Frescobaldi und Widor lauschten.

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Zwei eingängige Stücke für  Soloflöte und Streicher  von Vivaldi (Die Nacht) und Tadeusz Baird (Colas Breugnon: eine Suite im alten Stil, 1951) rundeten den Kulturtag ab.

Koscheres Abendessen im Klezmer Hois im Ortsteil Kazimierz.

12. Juni

Unser Navi kannte es noch nicht. Wir mussten erst Passanten fragen, wo sich das Manggha-Museum befindet. Es schmiegt sich ans andere Weichselufer, direkt gegenüber vom Wawel. Dort ist noch bis zum 14. August die Ausstellung “Misy” (Bowls) von Young Jae Lee zu sehen. Für uns ein Muss, denn das Atelier der koreanischen Keramikerin befindet sich in Essen und ist Mitglied in der Handwerkskammer Düsseldorf.

Wir hatten Gelegenheit, mit Kuratorin Anna Król über die Ausstellung und das Museum zu sprechen.

Der Nachmittag brachte einen weiteren Höhepunkt:

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In der ehemaligen Fabrik von Otto Schindler ist ein eindrucksvolles Museum untergebracht, das seinen Namen trägt und die Zeit der Naziherrschaft von 1939 bis 1945 dokumentiert.

Den Tag beschlossen wir mit einem musikalischen Highlight: In der Oper wurde “Tannhäuser” gegeben. Herrliche Stimmen, aber man musste ganz genau hinhören, um die Texte als deutsch zu erkennen. Die polnischen Untertitel halfen nicht weiter. Zum Glück ist die Handlung bekannt.

13. Juni

Bevor alle noch einmal auf eigene Faust loszogen, besichtigten wir den Veit-Stoß-Hochaltar in der Marienkirche am Rynek.

Zwölf Jahre (von 1477 bis 1489) brauchte der Bildhauer , um das Pentaptychon zu erschaffen.

Ein letztes gemeinsames Abendessen und ein paar Wodkas im jüdischen Viertel beschlossen die Reise, bevor es am nächsten Tag wieder von verschiedenen Flughäfen (Krakau und Kattowitz) nach Hause ging.

Fotos: Basdorf (10), Polska Organizacja Turystyczna (6), Kościół Miłosierdzia Bożego (1)

 

Begegnung im Schnee

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Foto: Skirama Kronplatz

Ein etwas anderer Nachruf

Zaha M. Hadid hat Architektur auf die Spitze getrieben. Nirgends ist mir das klarer geworden als auf dem Kronplatz in Südtirol. Dort steht das Messner Mountain Museum (MMM Corones). Wobei „stehen“ nicht der richtige Ausdruck ist für dieses Gebäude, das sich quasi in die Landschaft schmiegt. Die Philosophie Reinhold Messners, so wenig wie möglich in die Natur einzugreifen auf dem ohnehin schon (ski-)touristisch bestens erschlossenen Kronplatz, konnte einfach niemand anders umsetzen als Zaha Hadid.

„Am Kronplatz geht der Blick in alle vier Himmelsrichtungen über die Landesgrenzen hinaus: von den Lienzer Dolomiten im Osten bis zum Ortler im Westen, von der Marmolada im Süden bis zu den Zillertalern im Norden“, erklärt Reinhold Messner. „Der Kronplatz beherbergt nun das Highlight meiner Bergmuseen, einen Ort der Stille, der Entschleunigung und unvergessener Ausblicke. Dieser Rückzugsraum öffnet alle menschlichen Sinne für das Darüber und Dahinter. Die Berge werden zum Erfahrungsraum, Teil unserer Kultur. Im Geistesflug über alle Gipfel hinweg gilt es sie neu wahrzunehmen.“

Das Raumschiff für die Geistesflüge der Besucher ist aus Beton. Zaha Hadid hat die Utopie des Bauens ins Hier und Jetzt geholt. Formen und Räume fließen ineinander. Im MMM Corones, dessen größter teil unterirdisch angelegt ist, bildet der beton eine Einheit mit der Natur, vor allem im Winter, wenn das obere Stockwerk des Gebäudes wie ein gigantisches Iglu aus dem Schnee ragt. „Die Assoziation war eine ausgespülte Gletscherhöhle, die wir als Landschaft interpretierten“, sagt Peter Irmscher, der das Projekt als Zaha Hadids leitender Architekt betreute.

Obwohl ich die Faszination des Bergsteigens nicht nachempfinden und dementsprechend wenig mit den hier vom Museumskurator Messner zusammengetragenen Erinnerungsstücken anfangen kann, war bei meinem Besuch im Januar die Anziehungskraft der architektonischen Hülle enorm. Wie von den Architekten gewollt, wurde ich quasi in die Ausstellungsräume nach unten „gesaugt“. Die Art, wie die Sichtachsenangelegt sind, wie sich mir das Bergpanorama aus verschiedenen Blickwinkeln offenbarte, hat die Pause vom Skifahren zum unvergleichlichen Erlebnis werden lassen.th_c8b674df7200c012fd1ce2aa90b39915_zahahadidbystevedouble_forweb_0272

Die Symbiose aus Felsgestein und Stahlbeton in über 2.200 Metern Höhe ist eines der letzten Denkmäler, das sich Zaha Hadid setzen konnte. Gestern, am 31. März 2016, ist sie im Alter von 65 Jahren gestorben.

Zaha M. Hadid

Das MMM Corones ist vom ersten Sonntag im Juni bis zum zweiten Sonntag im Oktober und von
Ende November bis Mitte April (entsprechend den Öffnungszeiten der Seilbahnen) täglich von 10 bis 16 Uhr  geöffnet. Man erreicht es am besten mit der Seilbahn von Bruneck aus. Der Museumseintritt beträgt 8 Euro für Erwachsene, 4 Euro für Kinder.

Weitere Informationen unter www.messner-mountain-museum.it/corones/museum/

Tschechische Impressionen

Pressereise vom 16. bis 19. November 2015

Erster Tag

Die Sonne scheint bei milden 16 Grad. Im Biergarten der Klosterbrauerei Strahov wird sogar noch draußen serviert.

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Das 1140 von Herzog Vladislav II. und seine Gemahlin Gertrud von Babenberg auf dem Berg Strahov (deutsch auch Strohhof) gegründete Prämonstratenserkloster soll die größte Klosteranlage Tschechiens sein. Sie beherbergt eine Bibliothek mit 130.000 Büchern, die zum Teil noch erheblich älter sind als das Kloster. Leider können wir den auf Fotografien wunderschön aussehenden Lesesaal nicht besichtigen. Das geht nur mit Gruppenvoranmeldung. Enttäuschung: Für eine Journalistengruppe, die auf Einladung der staatlichen Tourismuszentrale reist, könnte man so etwas doch wohl arrangieren. Der herrliche Blick von hier oben auf die Stadt entschädigt ein wenig.

Das Prager Gemeinde- oder Repräsentationshaus (tschechisch Obecní dům) befindet sich am Platz der Republik Nr. 5 neben dem Pulverturm. Es wird von den Pragern als Symbol für 100 Jahre kulturelles Leben gesehen. Das riesige, zehn Stockwerke hohe Gebäude wurde zwischen 1905 und 1912 erbaut und vereint in seinem Inneren Art Deco, Empire- und Jugendstil mit orientalistischen Elementen.

20151116_164452_resized20151116_163112_resized20151116_165847_resizedDie einzelnen, heute für kulturelle Veranstaltungen und Empfänge genutzten Säle tragen die Namen ihrer Stifter. Bedeutende tschechische Künstler haben sich hier selbst Denkmäler gesetzt, vor allem in der bildenden Kunst. Der Smetana-Saal ist der zweitgrößte Konzertsaal Prags. Die Grégor-Halle gilt als wichtigster Saal des ganzen Landes, weil hier am 28. Oktober 1918 die tschechische Republik ausgerufen wurde.

Sehenswert neben den eindrucksvollen Räumlichkeiten ist momentan die Ausstellung der tschechischen Designerin Blanka Matragi. Sie kam über Glas- und Keramikdesign zur Textilkunst. Vor allem ihre Abendroben sind atemberaubend schön. Eine Boutique im Erdgeschoss lädt sogar zum Kauf der aktuellen Kollektionen ein – allerdings kein preiswertes Vergnügen.

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Nach dem Pomp und der üppigen Designpracht in diesem Gebäude tut der Kaffee in der Kavárna Modrý Orel (Tyn 643) gut. Das Lokal hat keine 20 Plätze, aber Kaffee und Kuchen sind echte Handarbeit. Die Dekoration wohl auch.

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Bei all den schönen Erlebnissen ist mir allerdings etwas sehr negativ aufgefallen: Mit der Prager Frankreich-Solidarität ist es nicht weit her. Es gab um 12 Uhr keine Schweigeminute, und die Fahnen auf öffentlichen Gebäuden wehen nicht auf Halbmast. Die polnischen, slowakischen und tschechischen Kollegen wundern sich darüber, dass uns Deutschen das auffällt. Sie sind der Meinung, dass die Vorkommnisse in Paris sie und ihre Länder nichts angehen. Darüber wundere ich mich.

2. Tag

Regen und Bier fließen in Strömen

Nahezu pünktlich verließen wir Prag. Unsere erste Station: die Glashütte Ajeto in Lindava. Von einer Empore aus kann man hier den Glasbläsern über die Schultern schauen.

20151117_111854_resizedDas Unternehmen beschäftigt zirka 65 Mitarbeiter an zwei Standorten, davon 35 in Lindava und genießt weltweiten Ruf. Ajeto-Design sucht man allerdings auf Messen und Ausstellungen vergeblich, denn die Hütte arbeitet vornehmlich im Auftrag von namhaften Glasdesignern. „Das ist nahezu ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Manager David Sobotka und schätzt, dass es außer Ajeto nur noch zwei bis drei andere Betriebe auf der Welt gibt, die so arbeiten. Das Gebäude in Lindava haben die Firmeninhaber Petr Novotný und Libor Fafala 1990 für 2.000 Euro gekauft und 1,5 Millionen Euro investiert, um aus dem maroden Bau – bis 1945 eine deutsche Textilfabrik – ein Schmuckstück zu machen.

Originelles entstand in der Scheune: eine Mischung aus Bier-Kneipe und Schauwerkstatt, wo die Gäste selbst Hand anlegen können und sich in die Kunst des Glasblasens einweisen lassen können.

Das ist unbestritten eine Touristenattraktion der Region. Und ein Betrieb, der laut Firmensprecher Sobotka monatlich einen Fixkostenblock von 160.000 Euro tragen muss, kann jedes kleine Zubrot gut gebrauchen.

Die Brauerei Cvikov ist zu klein, um ihr Bier zu exportieren. Die aus nur sechs Personen bestehende Mannschaft hat den Betrieb erst vor einem Jahr aufgenommen – in einem Gebäude, das bis 1968 schon einmal Brauerei gewesen ist. Fünf Sorten unterscheiden sich im Alkoholgehalt – von acht bis 13 Prozent. Die sechste ist naturtrübes Bier. Noch wird fast alles in Einweg-Plastikflaschen abgefüllt. Nur zaghaft findet der Umstieg auf Glasflaschen statt. Zum Glück verstehen wir Deutschen auch etwas vom Bierbrauen. Sonst hätten wir bei diesem Termin nur Bahnhof verstanden. Milena, unsere von der Agentur eingesetzte Begleiterin war, nicht zum ersten Mal, nicht in der Lage, den Produktionsprozess in englischer Sprache zu erläutern.

Das nächste Ziel, die Stadt Liberec, erreichen wir mit Verspätung. Deshalb bleibt zu wenig Zeit, sie zu erkunden. Sie scheint aber eine Reise wert zu sein.

liberec_-_radnice_[2504x3770]Hier endlich entdecken wir Zeichen der europäischen Solidarität. Das Rathaus ist in den französischen Farben angestrahlt, in einer Nische liegen Blumen, und Kerzen brennen auch.

Das Abendessen fand entgegen der Ankündigung im „Radniční sklípek“, einem stilvollen Bierkeller im Zentrum der rund 110.000 Einwohner zählenden Stadt statt.

Das ursprünglich dafür vorgesehene Hamburger-Restaurant machte einen überaus abschreckenden Eindruck. Dafür ist das Grand Hotel Imperial, in dem wir die Nacht verbringen, eine sehr gute Adresse. Ein Kaminofen gibt der in puristischem Design gestalteten Halle ein wenig Wärme. Wie oft in durchgestylten Hotels ist Design nicht gleichbedeutend mit praktisch, vor allem in den Zimmern. Aber die Einheimischen erinnern sich noch gut an das heruntergekommene Gebäude, wie man es bei Google Earth sieht.

  1. Tag

Stürmische Begegnung

Auf den höchsten Berg der Umgebung geht es mit der Gondel. Eigentlich sollte hier in über 1.000 Meter Höhe jetzt schon Schnee liegen und die Skisaison eröffnet sein. Aber auf den grünen Wiesen unter uns stehen lediglich Schneekanonen tatenlos herum. Auf der Bergspitze erwartet uns der Rundbau eines Hotels, entworfen von dem Architekten Karel Hubacek und 1973 eröffnet.

jested_-_turistika_[2047x1535]Das Hotel verfügt über 19 Zimmer und ist vom Novembersturm umtost erstaunlicherweise ausgebucht. Aber der Rundumblick lohnt sich. Bei klarer Sicht sieht man nach Deutschland und Polen. Wir sind zunächst von Neben umgeben. Umso schöner, dass es bei der Rückfahrt mit der Gondel doch noch ein bisschen aufklart. Schade auch hier, dass der Hoteldirektor tschechisch sprach und Milena die Worte fehlten, uns die architektonischen Besonderheiten des Gebäudes auf Englisch näher zu bringen. Zu allem Unglück verpasste sie auch noch die Gondel ins Tal, so dass wir auf sie und ein paar Nachzügler über eine Stunde im Bus auf einem unwirtlichen Parkplatz auf sie warten mussten.

Die nächste Station ist Schloss Sychrov. Es ist eine bedeutende, wenn nicht sogar die bedeutendste Sehenswürdigkeit Tschechiens.

Sein beeindruckendes Interieur verdankt es der französischen Adelsfamilie Rohan, die sich im Zuge der Revolution hierher rettete und in mehreren Generationen bis 1945 blieb. Das Schloss diente der Familie zunächst nur als Sommerresidenz, im 20. Jahrhundert nahm ihre Anwesenheit hier zu. Nach der Vertreibung der Besitzer ging das Anwesen in Staatsbesitz über. Von den 180 Zimmern des Schlosses können 40 im Originalzustand des 18. Jahrhunderts erhalten gebliebenen besichtigt werden.

20151118_111949_resizedDas Schloss beherbergt unter anderem die größte Porträtsammlung Mitteleuropas, eine wertvolle Sammlung von Figuren aus Meißner Porzellan, eine Bibliothek mit 7.200 Büchern in deutscher, tschechischer und französischer Sprache. Auf der Orgel in der Schlosskapelle hat sogar Antonin Dvorak gespielt. Und die Frau des dritten Schlossbesitzers aus der Rohan-Familie war vor ihrer Ehe Gouvernante von Elisabeth, der Kaiserin von Österreich, gewesen. Sehenswert soll auch der im französischen Stil angelegte Park sein.

Dazu reichte es bei uns aber nicht. In Tschechien scheinen üppige Mahlzeiten das Wichtigste zu sein – auch oder vor allem für Journalisten.

Zum Mittagessen fanden wir uns in einer von außen unscheinbar wirkenden Kate ein. Im Kamin prasselte ein Feuer, was uns nach dem Aufenthalt in dem eisig kalten Schloss sehr wohl tat. Aber wie so oft auf dieser Reise: Obwohl die Gruppe angemeldet war, dauerte es etwa eine Stunde, bis das erste Essen aufgetragen wurde. Schmackhaft, frisch zubereitet zwar, aber zu üppig und zu viel Zeit kostend, die später fehlte.

Wer bei dem Begriff „Glasmuseum“ an etwas Langweiliges denkt, wird in Jablonec nad Nisou eines besseren belehrt. Sehr informativ, fast zu ausführlich und sehr gut aufbereitet erzählt das Museum die Geschichte der Glasverarbeitung und Schmuckherstellung, die in der Region die meisten Arbeitsplätze sichert und die Haupteinkommensquelle darstellt.

muzeum_skla_a_bizuterie_[1767x2247]Davon konnten wir uns bei Preciosa ornela überzeugen. Wer hätte gedacht, dass die Herstellung von Näh- und Auffädelperlen so langwierig ist. Bis aus geschmolzenen Glas eine Perle wird, dauert es mindestens acht Monate. „Wir sind weltweit die Nr. 1 in Qualität, Menge (vier Millionen Kilogramm jährlich) und Sortiment (150.000 verschiedene Perlen)“, berichtete Peter Puš, Managing Director des Unternehmens beim Rundgang durch die Produktion. Da der Herstellungsprozess konkurrenzlos bleiben will, durften wir nur an ausgewählten Stellen fotografieren.

Die sechs selbstgebauten Glasöfen produzieren das ganze Jahr über 24 Stunden am Tag Milliarden von Perlen aller Größen. Von 100 kg Glas bleiben am Ende weniger als 50 kg Perlen übrig. Der Abfall wird recycled und dem Produktionskreislauf wieder zugeführt.

Müde von so vielen Informationen nutzten die meisten von uns die zweistündige Bus-Rückfahrt nach Prag für ein Nickerchen. Den letzten Pressereise-Abend verbrachten wir dann im Restaurant „U Mlynare“ unweit der Prager Burg im Stadtviertel „Kleinseite“ – wieder bei deftiger Kost, auf die wir – man ahnt es schon – trotz Anmeldung über eine Stunde warten mussten.

 

  1. Tag

Maître de l‘ Affiche

Ich hatte nicht geglaubt, dass die Reise nach so vielen interessanten Einblicken noch einen Höhepunkt bereithielt. Aber das Mucha-Museum, vor allem die kompetente, hervorragend englisch sprechende Führerin dort, hat mir für diesen Art-Nouveau-Künstler die Augen und das Herz geöffnet. Ich kann den Besuch Pragtouristen wärmstens empfehlen.

20151119_104859_resizedZum Abschluss das, Sie ahnen es, liebe Leser, wiederum üppige Mittagessen, im Restaurant „Stoleti“ in der Prager Altstadt. Die Zeit bis dahin habe ich genutzt, um durch die Gassen zu schlendern, hier und da ein Foto zu machen, ein bisschen einzukaufen. Dann war der Abschied von dieser tollen Stadt auch schon da. Aber ich bin sicher, dass ich sie bald wieder besuche.