Category Archives: AUSFLUGSTIPP

Zeit und Lust etwas zu unternehmen, einen interessanten Ort aufzusuchen, den Horizont zu erweitern?
Es gibt so viele lohnende Ziele um uns herum. Hier gibt es Anregungen dafür.

Vom Warum zum Darum

Aachens Dombaumeister lüftet ein Altstadtgeheimnis

Als Aachen am 21. Oktober 1944 vor den Amerikanern kapituliert, ist die Stadt zu 57 Prozent zerstört.Und das wird sie bis 1949 bleiben. Nicht zuletzt dieser Wiederaufbausperre ist es zu verdanken, dass der Aachener Dombaumeister Dr. Jan Richarz dem System „Rekonstruktion durch Translozierung“ mit detektivischer Akribie nachspüren konnte. Das Ergebnis seiner über 500 Seiten umfassenden Dissertation wurde jetzt in Bonn mit dem Paul-Clemen-Preis des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) ausgezeichnet.

Richarz dokumentiert anhand von 50 Fällen, dass in Aachen häufiger als anderswo ab 1945 bei Hausabbrüchen wertvolle Fassaden systematisch abgenommen wurden, um sie später an anderer Stelle in neuen Gebäuden wieder einzubauen.

Das zunächst hoch geschätzte „Aachener Modell“ liefert jedoch auch Anlass zu Kritik. Denn die heutige Altstadt ist in Wirklichkeit eine fiktive Neuerfindung. „Die Menschen suchen nach der Kontinuität im Stadtbild für ihre eigene Identifikation mit ihrer Stadt“, schreibt Richarz. Deshalb werde bei aller Kritik an Rekonstruktionen und Kopien verlorener Bauten die Translozierung und das Einfügen echter Altsubstanz in Neubauten oft als Rettung verstanden und als Lösung toleriert.

Der mit 10.000 Euro dotierte Paul-Clemen-Preis des LVR – benannt nach dem ersten Provinzialkonservator der Rheinprovinz – wird für herausragende wissenschaftliche Arbeiten zur Erforschung der rheinischen Kunst verliehen.

Angelika Basdorf (bf)

Foto: Dombaumeister Dr. Jan Richarz (rechts) und sein Doktorvater, Professor Dr. Christian Raabe vor dem Aachener römischen Portikus im LVR Landesmuseum Bonn.

Foto: Basdorf

Konzentrische Kreise im Ackerboden geben Rätsel auf

Es ist nicht Stonehenge, aber ebenfalls sehr alt und ein bisschen geheimnisvoll: Bei Swisttal-Ollheim im Rhein-Sieg-Kreis haben die Archäologinnen und Archäologen des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) im Ackerboden drei kreisförmig angelegte Gräben entdeckt. Die genaue Funktion und vor allem die Datierung dieser im Außendurchmesser etwa 65 Meter großen Anlage ist noch unklar. Fest steht aber schon jetzt: Für das Rheinland ist ein solcher Fund einzigartig.

Ollheim ist ein beschaulicher kleiner Ort mit nicht einmal 800 Einwohnern, der Pfarrkirche St. Martinus in der Mitte, einem Sportplatz mit Grillstelle, zwei Karnevalsgesellschaften und dem Angelverein „Karpfenfreunde 1996“. Auf den ersten Blick lässt nichts darauf schließen, dass sich am östlichen Ortsrand, in Sichtweite der letzten Häuser und nur nur ein paar Handbreit unter dem Ackerboden eine kleine archäologische Sensation verbirgt: eine sogenannte Kreisgrabenanlage, wohl aus der Jungsteinzeit. Die Anlage besteht aus drei kreisförmig angelegte Gräben, die konzentrisch um einen zentralen Innenbereich herumlaufen. Der äußere Graben hat einen Durchmesser von rund 65 Metern und erstreckt sich auf beiden Seiten des Vershovener Weges.

Derzeit führt das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland (LVR-ABR) eine Ausgrabung an diesem besonderen Fundplatz durch, um nähere Erkenntnisse zu gewinnen

Nur ein paar Handbreit unter dem Ackerboden verbirgt sich eine kleine archäologische Sensation: eine Kreisgrabenanlage, wohl aus der Jungsteinzeit. Foto: LVR

Vergleichbare Grabenkonstruktionen sind aus Sachsen-Anhalt, Bayern und vor allem Österreich bekannt. Diese Anlagen variieren in ihrem Aussehen hinsichtlich der Anzahl von Gräben und der Position der Unterbrechungen in den Grabenverläufen. Oftmals gibt es auch noch zusätzlich Palisaden und Wälle. Allen gemeinsam ist allerdings die Kreisform der Gräben. „Über die Funktion dieser Anlagen wird in der Forschung viel diskutiert. Die Vermutungen reichen von Befestigungsanlagen über Kultplätze bis hin zu astronomischen Observatorien“, erläutert Dr. Erich Claßen, Leiter des LVR-ABR. „Über die Anlage in Ollheim wissen wir aber derzeit noch zu wenig, um sie einordnen zu können.“ Die bisher bekannten Fundplätze mit drei Kreisgräben datieren hauptsächlich in die mittlere Jungsteinzeit. Daher ist es naheliegend, dass auch die Anlage bei Ollheim aus dieser Zeit stammt (im Rheinland zirka 4900 bis 4300 vor Christus). „Sicher können wir uns da aber erst sein, wenn wir aussagekräftige Funde in der Hand halten, die eine Datierung erlauben“, so Claßen.

Bereits 2015 wurde die Kreisgrabenanlage in einem Luftbild entdeckt. Aus Flugzeugen aufgenommene Fotos lassen archäologische Strukturen im Boden anhand von Merkmalen im Bewuchs auf Feldern und Wiesen sichtbar werden. Je nachdem, welche Überreste sich im Boden verbergen, wachsen Pflanzen darauf unterschiedlich gut und geben so indirekt ein Abbild der Strukturen im Boden wieder. Auch die drei kreisförmigen Gräben in Ollheim sind auf diese Weise auf der Oberfläche sichtbar. Aufgrund der Luftbilder wurden vor Ort über die Jahre verschiedene zerstörungsfreie Untersuchungen durchgeführt. Unter anderem wurde eine geomagnetische Prospektion vorgenommen. Bei dieser Methode können mithilfe des Erdmagnetfelds Bodenstrukturen nachgewiesen werden. Auf diese Weise konnten die Gräben aus dem Luftbild bestätigt werden, ohne in den Boden einzugreifen.

Spurensuche: Winzige Überbleibsel wie dieses Scherbenfragment wollen gefunden werden. Sie können Aufschluss geben über das Alter der Anlage. Foto: MS

Doch um die Funktion der Anlage und ihr Alter zu bestimmen, ist es notwendig, eine Ausgrabung vorzunehmen. „Leider ist die Kreisgrabenanlage nicht mehr vollständig erhalten“, erklärt Dr. Jens Berthold, Leiter der zuständigen Außenstelle Overath des LVR-ABR. „Insbesondere in der Mitte der Anlage stören moderne Überbauungen den Befund.“ Die Expertinnen und Experten des LVR sind dennoch optimistisch, genügend Informationen zum Auswerten nach Abschluss der Ausgrabungen zu gewinnen. Für die Wissenschaftler ist klar, dass der Bau der Anlage aufgrund ihrer Größe eine „Gemeinschaftsaktion mit ziemlichem Aufwand und viel Manpower“ gewesen sei. Aus vergleichbaren Anlagen sei bekannt, dass die Menschen damals über Jahrzehnte aus vielen Kilometern Entfernung zu solchen Anlagen gekommen seien. Da es jungsteinzeitliche Funde im direkten Umfeld der Anlage sowie auch im nahen Odendorf und Miel gebe, könnte dies auch bei der Ollheimer Kreisgrabenanlage so gewesen sein.

Das Alter sicher datieren können die Fachleute, wenn es aussagefähige Funde dazu gibt. Bislang sind nur zwei sehr kleine Keramikscherben ohne Verzierung zu Tage gekommen. Mit wachen Sinnen suchen die Archäologen des LVR auch nach unscheinbaren Fundstücken wie etwa Pflanzenresten, denn auch sie können können bei der Datierung weiterhelfen. Keime oder Dungreste wiederum geben Hinweise, ob dort Tiere gehalten wurden. Die Wissenschaftler des LVR sind jedenfalls sicher, die Entstehungszeit der Anlage recht gut bestimmen zu können. Dafür werden im Labor die Untersuchungen auch dann weitergehen, wenn Ende Juli die freigelegten Grabenteilstücke wieder unter dem Ackerboden verschwunden sein werden. Die steinzeitlichen konzentrischen Kreise bei Ollheim werden also die meisten ihrer Geheimnisse weiterhin für sich behalten. Manche davon wohl für immer.

Drei kreisförmige Gräben haben die Menschen der Steinzeit angelegt. Welche Idee mag sie angetrieben haben? Foto: LVR

Der Garten der Künstlerin

Das Thema stand schon lange fest. Aber nun hat es eine neue Bedeutung bekommen. Die Wertschätzung des Gartens, der Natur an sich, hat sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie verändert. Deshalb spiegelt “Der Garten der Künstlerin” so der Titel der GEDOK-Jahresausstellung im Stadtmuseum Siegburg den Zeitgeist wider wie nie zuvor.

“Kultur ist Nahrung für die Seele”, sagte die Vorsitzende der GEDOK Bonn, Dr. Clotilde Lafont-König , bei der Ausstellungseröffnung, die aufgrund des eingeschränkten Museumszugangs diesmal ohne öffentliche Vernissage stattfinden musste – aber nicht, ohne die Arbeiten der 20 ausstellenden Künstlerinnen gebührend zu würdigen. Das besorgte wie gewohnt die Kunstexpertin und Journalistin Antje Soléau – aus eigenem Wunsch zum letzten Mal. Sie näherte sich dem Thema “Der Garten der Künstlerin” mit einem Zitat von Hermann Fürst von Pückler-Muskau: „Wenn der Park eine zusammengezogene idealisierte Natur ist, so ist der Garten eine ausgedehnte Wohnung.“

Die Künstlerinnen haben sich in ihren Arbeiten der Natur individuell mit ihren unterschiedlichen Arbeitsmaterialien und herangehensweisen genähert – von handgeschöpftem Papier, Fantasien in Textil über Schmuck und Mixed Media bis hin zur Keramik. Da sind beispielsweise die “Diaries of Nature” von Christiane Rücker, vier Bücher, die den Jahreszeiten zugeordnet werden können. Gleichzeitig versinnbildlichen sie den Weg vom Baum zum Werkstoff Papier.

Die Gärten der Textilkünstlerinnen gestalten sich nicht nur durch das andere Material bedingt anders.  So hat Regina Thorne das Cambium einer Palme bestickt und mit einer Olivine verziert. Die von Angela Mainz geklöppelten Kragen aus japanischem Papiergarn lassen den Kopf der Trägerin wie eine Blüte wirken, der über der Realität schwebt.

Sabine Störring, eigentlich Textilkünstlerin, hat sich dem Thema Garten mit Schmuck genähert. So ziert den Fingerring ein winziger goldener Frosch, der sprungbereit an einem aus einer Glasscherbe geformten Teich sitzt.

Die Keramikkünstlerin Naomi Akimoto stammt ursprünglich aus Japan und nahezu selbstverständlich sind ihre Arbeiten stark von der heimatlichen Zen-Kultur beeinflusst. Ihrer Wandinstallation hat sie den Titel „Vermehrung“ gegeben.

Auch für Sabine Puschmann-Diegel ist der Garten der Ort der Inspiration.  Es sind ihre vielen Reisen rund um den Erdball und die Begegnungen mit dem lauten, kontrastreichen Leben auf den Straßen – versinnbildlicht durch Fräulein Schmitz und ihren Freundinnen.

Über den Gärten wacht schließlich der Paradiesengel von Ingeborg Mayr. Sie hat ihm noch einen Spruch von Luciano De Crescenzo mit auf den Weg gegeben: „Wir sind Engel mit nur einem Flügel. Um fliegen zu können, müssen wir uns umarmen.“ Genau das hätten die Künstlerinnen mit Antje Soléau, der ihr Abschied als Werkeinführerin sichtlich schwer fiel, sicher gerne getan. Aber der “Corona-Abstand” musste natürlich auch im Stadtmuseum Siegburg eingehalten werden.

Die Ausstellung “Der Garten der Künstlerin” ist noch bis zum 26. Juli 2020 zu sehen. Öffnungszeiten: Di – Sa 10 – 17 Uhr, So 10 – 18 Uhr.

Ein Ort, zwei Künstler

Das Essener Museum Folkwang ist immer einen Besuch wert, zurzeit gleich doppelt. Würden diese beiden Künstler sich mögen, wenn ihre Schaffensperiode gleichzeitig stattfände? Diese Frage habe ich mir heute beim Besuch des Hauses gestellt.

Seit heute wird im Museum Folkwang Edvard Munchs Gemälde „Die Mädchen auf der Brücke“ gezeigt. Die Leihgabe aus dem Munch Museum in Oslo steht im Zentrum der Kabinett-Ausstellung „Edvard Munch. Sehnsucht und Erwartung“. Gezeigt wird das Werk gemeinsam mit drei Gemälden sowie einer Auswahl von 17 grafischen Arbeiten Munchs aus der Sammlung des Museum Folkwang. Für die Sammlungspräsentation wurden Werke ausgewählt, die unterschiedliche seelische Empfindungen thematisieren.

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Munch widmete sich wie kein zweiter Künstler seiner Zeit den Nöten und Sehnsüchten, Sorgen und Erwartungen des Menschen. Die ausgestellten Werke zeigen einsame Menschen, die des Nachts in ihrem Zimmer wachen oder melancholisch am Meeresufer sitzen. Andere Arbeiten stellen Paare dar, die sich endlich gefunden haben. Das Gemälde „Die Mädchen auf der Brücke“ entstand 1927 und zeigt drei wartende Mädchen auf dem Landungssteg des Badeorts Åsgårdstrand am Oslofjord. Es ist bis zum 22. April zu Gast in Essen.

Provozierende Aussagen

Als Edvard Munch starb, war Klaus Staeck sechs Jahre alt, und eine Karriere als Künstler lag noch in weiter Ferne. Zunächst wohl auch außerhalb seiner Lebensplanung, denn der 1938 in Pulsnitz bei Dresden geborene politische Aktivist schloss zunächst ein Jurastudium in Heidelberg ab. Das Museum Folkwang würdigt ihn im Jahr seines 80. Geburtstags mit einer seiner größten Einzelausstellungen überhaupt.

Die Ausstellung „Klaus Staeck. Sand fürs Getriebe“ zeigt rund 200 der bekanntesten Plakate, Postkarten und Multiples und gibt erstmals einen umfangreichen Überblick über die frühe Druckgrafik des Plakatgestalters.

Staecks Kunst ist seit den 1960er Jahren nicht vom aktuellen Zeitgeschehen zu trennen und ist Ausdrucksform seiner politischen Ansichten. Mit fast jedem Entwurf enthüllt Staeck einen Missstand und regt damit zum Nachdenken über Gesellschaft, Kunst und Politik an. Mit seinen Plakaten hat Klaus Staeck eine Wirkung erzielt wie kaum ein anderer vor ihm. Seine Art der Satire brachte ihm bis heute 41 Gerichtsprozesse ein, von denen er keinen verlor.

Klaus Staecks mehr als fünf Jahrzehnte umfassendes Werk gibt Einblicke in den technischen Entwicklungsprozess der Plakatproduktion im vordigitalen Zeitalter. Der Fokus der Ausstellung liegt auf Staecks Abkehr von der künstlerischen Auseinandersetzung mit Druckgrafik und seiner Hinwendung zum Plakat. „Sand fürs Getriebe“ wird noch bis zum 8. April gezeigt.

Fotos (2): Museum Folkwang

Maritime Träume erwünscht

Die Sehnsucht nach einem Leben auf Schiffsplanken und an reizvollen Marinas, vor wechselnden Kulissen und Panoramen zieht jährlich mehr als 100.000 Menschen zur BOOT. Diesmal meldete die Düsseldorfer Messe bereits am ersten Wochenende 60.000 Besucher.

Sehen möchten wir sie alle, die Großyachten mit ihren Luxusausstattungen. Die Halle 6 ist ein Ort zum Staunen. Man schaut zu diesen gigantischen Schiffen auf, bei den meisten ist das Betreten einem handverlesenen potenziellen Kundenkreis vorbehalten. Wer mag das sein? Trifft man Menschen, die Millionenbeträge für ein schwimmendes Domizil ausgeben, tatsächlich hier auf der Messe?

Wir begegnen Freizeitkapitänen jeder Art – vom (Kyte-)Surfer bis zum Einhandsegler, vom Kanuten bis zum Rennbootpiloten, vom Optimisten bis zum Hochseesegler. Sie alle kommen auf der BOOT auf ihre Kosten, sowohl was das Angebot betrifft, als auch die Möglichkeiten des Ausprobierens.

Drumherum spielen auch andere Freizeitaktivitäten eine Rolle: (Ab-)Tauchen kann man ebenso wie Wellenreiten und erste Paddelingversuche wagen – oder sich eine Angel kaufen.

Selbstverständlich ist auch das maritime Zubehör, von der angesagten (Sport-) Kleidung, der Bootsausrüstung und -einrichtung bis hin zu Segeln, Masten und Motoren. Und wer von all dem so gar keine Ahnung hat, dem machen Charterbootanbieter und Reiseveranstalter das Leben beziehungsweise einen Urlaub auf dem Wasser schmackhaft – zuweilen auch mit leckeren Häppchen aus dem Meer.

Fotos (11): Messe Düsseldorf/Boot 2018

Kleine Welt aus Blech

Bis unsere Kinderzimmer von Plastik überschwemmt wurden, waren Stabilbaukästen der Renner. Spielzeug aus Metall ist wie kein anderes mit dem Industriezeitalter verbunden. Einer, der Zeit seines Lebens davon fasziniert war, ist der Kölner Jürgen Griebel. Seiner Sammlung verhilft das LVR-Industriemuseum in Solingen zu öffentlicher Beachtung. Dort kann man jetzt “Die Welt im Kleinen” betrachten.

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Foto: LVR-Industriemuseum

Metallbaukästen kamen als Spielzeug für kleine Architekten, Baumeister und andere damals ausschließlich der männlichen Domäne zuzuordnende Berufe Ende des 19. Jahrhunderts auf. Jürgen Griebel bekam sein erstes Bauset 1934 von seinem Großvater geschenkt. 1960 erwachte die leidenschaft aufs Neue und wurde nach und nach zum Lebensinhalt des Frühpensionärs. Als “Fließerlebnis” bezeichnet Museumsdirektor Dr. Jochem Putsch die Beschäftigung mit Bauplänen und Konstruktionsaufbau. Die Baukästen spielten eine wichtige Rolle in der Erziehung, da sie die Kinder in die Welt der Technik einführten. Zur Umstellung von Kriegs auf Friedenswirtschaft nach 1945 wurden Metallbetriebe von den Besatzern nahezu genötigt, Spielzeug herzustellen. So erlebten die Metallbaukästen bis in die 1960er-Jahre hinein  noch einmal einen Höhenflug, bevor mit Lego (ab 1958 auf dem deutschen Markt) und anderen Herstellern von (Steck-)Bausystemen aus Kunststoff der Niedergang des Bastelns mit Blech-Lochstreifen und Schrauben begann.

Dennoch dürfte es angesichts der kleinen und großen Werke aus Schrauben, Muttern, Rädern und Achsen wie Riesenrad, Eiffelturm und Müngstener Brücke so manchen Besucher in den Fingern jucken, entsprechend kreativ zu werden. “Nicht nur Kinder vergessen die Welt im Spiel. Auch Erwachsene kennen den ‘Flow’, das völlige Aufgehen in einer Tätigkeit, die verbunden mit absoluter Konzentration in Einklang von Anforderung und Fähigkeit in scheinbarer Mühelosigkeit erfolgt und Glücksgefühle auslöst.” So steht es auf einer Tafel in dem Bereich der Ausstellung, der zum Mitmachen mit verschiedenen Baumaterialien einlädt.

Die Welt im Kleinen, LVR-Industriemuseum Gesenkschmiede Hendrichs, Merscheider Str. 289-297, 42699 Solingen

Weitere Informationen unter www.industriemuseum.lvr.de

Der sympathische Nero

Tyrann, Christenverfolger, Brandstifter: Nero kommt in der Geschichte selten gut weg. Erst aktuelle Forschungsergebnisse lassen den Kaiser, der von 37 bis 68 lebte und 14 Jahre lang das Römische Reich regierte, in einem anderen Licht erscheinen. Trier feiert sein 30-jähriges Bestehen als UNESCO-Welterbestätte  mit einer einzigartigen Kulturschau in den drei bedeutenden Museen der Stadt. Sie zeigt auch Neros sympathische Seite.

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Foto: Rheinisches Landesmuseum Trier

Auf zirka 1.000 Quadratmetern und in 14 Ausstellungsräumen geht das Rheinische Landesmuseum der Geschichte des römischen Kaisers nach. Unter dem Titel “Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann” beleuchtet ein chronologischer Rundgang mit 430 Exponaten den Werdegang des Imperators: Von seinen Anfängen als engagierter Kaiser, der beim Volk sehr beliebt war, über das Zerwürfnis mit seiner machthungrigen Mutter, die er ermorden ließ, bis hin zu seinen letzten Tagen als Künstler-Kaiser, der sich mehr für seine Schauspielkarriere als für sein Volk interessierte.

Brennende Stadt, verfolgte Christen

Neros Verhältnis zu den Christen beleuchtet das Museum am Dom. Mit 130 Exponaten aus verschiedenen Epochen wird das Thema eingebettet in das Verhältnis des römischen Staates zur Religion und zeichnet die Geschichte der Christenverfolgung nach. Sie beginnt  64 n.Chr. mit dem großen Brand von Rom. Um den Verdacht zu zerstreuen, er habe ihn selbst wegen seiner ehrgeizigen Palastbaupläne gelegt, schob er die Schuld auf die noch junge Gemeinschaft der Christen, ließ sie als Brandstifter verhaften und auf grausame Arten hinrichten. Dass Nero mit dem Ausbruch des Brandes nichts zu tun hatte, ist heute allgemeines Forschungswissen. Doch die Geschichte der Christenverfolgung, der Märtyrer-Tode und der Unterdrückung von Religion wurde besonders durch die christlichen Geschichtsschreiber untrennbar mit dem römischen Imperator verknüpft. Hier drängen sich aktuelle Bezüge zu Religionsverfolgungen geradezu auf.

Quo Vadis

Wer kennt ihn nicht, den Monumentalfilm von 1951 mit Peter Ustinov als Nero? Nicht zuletzt dieser Streifen hat unser Bild von Nero geprägt.Im Stadtmuseum Simeonstift

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Foto: Stadtmuseum Simeonstift Trier

bilden Objekte aus der Populärkultur, die den bis heute zelebrierten Kult um Nero verdeutlichen, den Einstieg in die Ausstellung. Dekadenz, Intrigen und Verbrechen haben Künstler aller Epochen inspiriert. Umgekehrt belegen die 214 Exponate, dass wir bis heute die Wahrheit über das Wesen Neros aus diesen Darstellungen schöpfen.

Zeit für diesen Nero

… sollte man sich unbedingt nehmen. Alle drei Ausstellungen laufen noch bis zum 16. Oktober. Informationen unter www.nero-ausstellung.de

Vom Aufbrechen und Ankommen

Verspätung und unfreiwilliger Aufenthalt am Kölner Hauptbahnhof? In der Stadt verabredet und Lust auf Gesprächsstoff?

Da kann ich noch bis zum 31. März 2017 etwas wirklich Sehenswertes empfehlen, und zwar in der Bahnhofsmission auf Gleis 1 E – täglich geöffnet von 7 bis 19 Uhr. Der Maler Günter Winckler stellt dort 30 Bilder aus, für die er das Thema Flucht in leuchtenden Farben umgesetzt hat. Winckler hatte im Rahmen seiner Arbeit bei der Landwirtschaftsorganisation der UN und als Berater des Welternährungsprogramms intensiven Kontakt mit Krisenregionen, Nothilfeprogrammen, Flüchtlingslagern und hilfesuchenden Menschen in Afrika und im Nahen Osten. Seine Bilder verarbeiten eigene Erfahrungen, aber sie spiegeln vor allem auch das wider, was uns aktuell beschäftigt: Wie gehen wir mit Menschen um, die aus Krisengebieten zu uns kommen, vor Not und Elend fliehen und auf unsere Hilfe hoffen?

Winckler1.JPGDie Bahnhofsmission hat seit ihrer Gründung im 19. Jahrhundert viele Flucht- und Wanderbewegungen miterlebt. In letzter Zeit betreut sie regelmäßig Flüchtlinge und Asylbewerber, unterstützt sie bei ihrer Weiterreise zu den zentralen Aufnahmestellen oder hilft den am Kölner Hauptbahnhof Gestrandeten je nach Erfordernis weiter.

Günter Winckler findet nicht nur in der Malerei Erfüllung. Er ist selbst seit vier Jahren ehrenamtlich in der Bahnhofsmission aktiv.

Wald aus Kristall

Sie könnten skandinavischen Legenden entstammen – die gläsernen Baumgeschöpfe von Bruno Pedrosa und Simone Crestani.

War es Zufall oder Schicksalsfügung, dass die beiden Künstler sich gefunden haben. Der eine, Jahrgang 1950,  lebte und arbeitete in Rio de Janeiro, als der andere 1984 in Norditalien geboren wurde. Inzwischen leben sie beide ihre Schaffenskraft in Italien aus.

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Progetto Contaminazioni                    Foto: CCAA-Glasgalerie

Noch bis zum 14. Mai ist das “Progetto Contaminazioni” in der CCAA-Glasgalerie in Köln zu bewundern. Dabei handelt es sich um großformatige Glasobjekte, die Simone Crestani vor der Lampe geformt hat. Anschließend wurden sie von Bruno Pedrosa in Gravurtechnik grafisch gestaltet.

Für beide Künstler liegt die Quelle der Inspiration in der Natur. So wirken die durchsichtigen Baumwipfel und -äste wie zufällig vom Wind in Form gebracht. Die Stämme geben ihnen Bodenhaftung, die Gravuren verkörpern die nach oben strebende und sich verjüngende Rinde.

Leider ist diese Ausstellung die letzte in der seit 35 Jahren bestehenden Glasgalerie. Der Galerist Michael Ströter bleibt aber weiterhin aktiv und wird Glaskunst gelegentlich an besonderen Orten und auf Messen zeigen.

 

Mein Osterprogramm: Museumsbesuche

Langweilig wird es in NRW nie. Unsere Museen lassen sich immer wieder interessante Ausstellungen einfallen. Meine Favoriten und gleichzeitig mein Besuchstipp für die Osterferien sind das Museum Folkwang in Essen und das LVR-Industriemuseum in Ratingen.

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“Schuld und Sühne” von Tomi Ungerer

Tomi Ungerer erlangte Weltruhm als provokativer Grafiker, als genialer Kinderbuchzeichner und scharfzüngiger Autor. Noch bis zum 16. Mai präsentiert das Museum Folkwang über 170 überwiegend unveröffentlichte Collagen, Zeichnungen und Plastiken des Künstlers aus fünf Jahrzehnten.

Tomi Ungerers Rang als Autor und Illustrator gründet auch auf satirischen und gesellschaftskritischen Werken, die sich dezidiert an ein erwachsenes Publikum richten. Seit den 1950er Jahren entstehen Collagen als integraler Bestandteil seines Gesamtwerks. Die Ausstellung “Tomi Ungerer.INCOGNITO” bündelt diesen Aspekt des abwechselnd in Irland und Frankreich lebenden Künstlers. Der größte Teil der Werke war noch nie öffentlich zu sehen und wurde eigens für die Ausstellung aus Ungeres Archiv ausgewählt.

Tomi Ungerer. INCOGNITO, Museum Folkwang, Museumsplatz 1, 45128 Essen.

Ostern an allen Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet, sonst Samstag, Sonntag, Dienstag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag und Freitag von 10 bis 20 Uhr.

Die Macht der Mode

_0000018“Nie wieder hat es einen Modewandel in dieser Radikalität gegeben wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts”, sagt Claudia Gottfried. Als Kuratorin der Ausstellung „Die Macht der Mode. Zwischen Kaiserreich, Weltkrieg und Republik“ in der Textilfabrik Cromford in Ratingen hat sie mehr als 130 Originalkostüme und viele weitere historische Exponate in Szene gesetzt. Sie lassen die Zeit zwischen 1900 und 1930 wieder lebendig werden. Die Klassiker der Mode der 1920er Jahre, der sogenannte ‚Stresemann‘ und Charlestonkleider sind ebenso vertreten, wie die Reformkleider der 1910er Jahre, Sportbekleidung für Frauen und ein ausgefallener Staubmantel für Autofahrerinnen.

Wie aber kam es zu diesem radikalen Wandel? Im Zuge einer rasanten Modernisierung aller Lebensbereiche passten die großen Roben des Kaiserreichs nicht mehr in die modernisierte Welt. Die Schleppkleider verschmutzen schnell und erschwerten beispielsweise den Ein- und Ausstieg in die Straßenbahn, da sich die Röcke in den Rädern und SpeG29__1ichen verfangen konnten. Neue Kleidung und ein neues Bekleidungsschema mussten her und Ideen wurden in den unterschiedlichsten Bereichen entwickelt. Mediziner, Gesundheitsreformer und Vertreterinnen der Frauenbewegung kritisierten schon lange das Korsett als gesundheitsgefährdend. Die Kleiderreform umfasste den Verzicht auf das Korsett und die zahlreichen, schweren Unterröcke. Die Oberbekleidung wurde zweckmäßiger, sachlicher und ließ den Trägerinnen und Trägern mehr Bewegungsfreiheit.

Und dann erschütterte der Erste Weltkrieg die Gesellschaft. Wie bei der Lebensmittelversorgung unterlag auch der gesamte Bereich der Textilien und Kleidung der Kriegswirtschaft, alle Ressourcen wurden für das Militär beschlagnahmt. Der extreme Mangel an Textilien führte zu einem neuen, puristischen Modestil. Auch nach dem Krieg blieb es bei dem sparsamen Einsatz von Stoff in der Modebranche und so avancierte das kleine, kurze Charlestonkleid zu einem modischen „must-have“.

Das LVR-Industriemuseum präsentiert Originalkostüme aus seiner umfangreichen Sammlung zur Geschichte der Mode und Bekleidung. Accessoires, Objekte aus dem Alltag sowie zahlreiche Fotografien ergänzen die Schau. Die Ausstellung zeigt auf, wie die Mode und Kleidung in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts G19_auf die rasanten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen reagierten. Die Mode passte sich der sich wandelnden Gesellschaft an, fand neue Formen für einen vereinfachten Kleidungsstil, der den Anforderungen des modernen Lebens entsprach.

„Die Macht der Mode. Zwischen Kaiserreich, Weltkrieg und Republik“,  LVR-Industriemuseum Textilfabrik Cromford, Cromforder Allee 24, 40878 Ratingen.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr

Karfreitag und Ostermontag geschlossen