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„Głos Polonii w Kolonii“ – Ein Wortspiel als Wahlwerbung

Mit einem gut klingenden Reim hat Anna Klimaszewska-Golan das Kölner Rathaus erobert. Nicht ganz. Bei der Kommunalwahl 2020 in Nordrhein-Westfalen wurde sie in den Integrationsrat der Rheinmetropole gewählt. Eine vollwertige Ratsmitgliedschaft hat sie nicht angestrebt – bisher nicht. Denn was noch alles passieren kann, weiß man bei der Powerfrau mit polnischem und deutschem Pass nie.AnnaDom

Ihr Weg von Posen (Poznań) nach Köln habe sich einfach ergeben, erzählt Anna, die nicht an Zufälle, sondern eher an Vorsehung glaubt. „In Polen habe ich mich frei gefühlt, mich als Kosmopolitin definiert “, sagt sie, „aber anders. Die Polen sind eine homogene Gesellschaft, weiß, überwiegend katholisch, reserviert gegenüber Andersartigkeit, zum Beispiel Homosexualität.“ In Köln wurde sie mit einer anderen Freiheit konfrontiert: ein multikulturelles Miteinander, die Normalität gleichgeschlechtlicher Beziehungen, die bereitwillige Aufnahme von Fremden in die Stadtgesellschaft. Das war 2001, und Anna, die damals gerade in Poznań nach dem Jurastudium erste Berufserfahrungen gesammelt hatte, stand vor einem kompletten Neuanfang: „Ich konnte die Sprache nicht, mein juristischer Abschluss wurde nicht anerkannt, die Lebensweise war mir fremd. Aber ich hatte keine Vorurteile, war immer reisefreudig, wollte die neue Welt kennenlernen. Meine Urgroßeltern lebten im 19. Jahrhundert in Gelsenkirchen, wo es dank der Steinkohle-Zechen gute Arbeitsmöglichkeiten gab. Meine Oma ist dort zur Erstkommunion gegangen, meine Großtante ist in Gelsenkirchen geboren. Irgendwann kamen sie zurück nach Posen, und meine ganze Kindheit hindurch habe ich Geschichten über Nordrhein-Westfallen gehört, die für mich nach Abenteuer klangen. Mit 17 war ich das erste Mal in Köln – auf der Durchreise nach Paris. Zehn Jahre später bin ich hiergeblieben. Ich genieße diese Stadt, die zu meiner zweiten Heimat geworden ist.“

Kölsche Europäerin

In Köln hat sie noch einmal Jura studiert, auf Deutsch. Die Sprache des Landes zu lernen, das zu ihrem neuen Lebensmittelpunkt geworden war, hatte oberste Priorität. Denn die Sprache sei der Schlüssel zu allem.
„Ich musste mich nie verstecken.“
Nach wie vor fühlt sie sich als Europäerin: „Ich habe mich integriert, aber ich musste dafür nicht meine Identität aufgeben, wie es noch von der Einwanderungsgeneration vor mir verlangt wurde. Und ich wollte auch nicht eine Fremde im fremden Land bleiben.“ Außerdem hatte sich das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen nicht zuletzt durch den Nachbarschaftsvertrag schon geändert. Das gewandelte gesellschaftliche Klima hänge tatsächlich mit dem deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag zusammen, meint Thorsten Klute, Polonia-Beauftragter im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: „Durch ihn sind vielfältige Kooperationen ermöglicht worden – zwischen Städten, Schulen, Vereinen, Interessensgruppen jeglicher Art. Und sie funktionieren unabhängig davon, welche Regierungen an der Macht sind.“ Jedenfalls hat Anna in Köln keine Vorurteile bezüglich ihrer Herkunft zu spüren bekommen. „Im Gegenteil“, sagt sie, „viele Kontakte sind durch das Interesse an meiner Herkunft zustande gekommen, ich musste mich nie verstecken.“
Früh hat sich Anna auch ehrenamtlich engagiert – in der polnischen Gemeinde, beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), bei der Caritas in ihrem Wohnviertel und im Polregio e.V. Das ist ein in Aachen gegründeter Verein, der auch in Düsseldorf, Essen und Wuppertal Anlaufstellen, sogenannte Infopoints, für die 800.000 Polen in NRW unterhält. Allein in Köln leben 43.000 Menschen mit polnischen Wurzeln. Ihre Anwesenheit wird hier nicht als etwas Außergewöhnliches angesehen. Sie fallen nicht auf. Dass viele von ihnen Probleme haben, nicht nur mit der Sprache, sondern auch mit dem Sozialsystem und den Regeln des Arbeitsmarktes, nimmt die Mehrheitsgesellschaft nicht wahr. „Wir sind als Migranten unsichtbar“, sagt Anna, „buchstäblich problemlos und autark.“
In ihrem Beruf hat die Juristin ihre Mehrsprachigkeit (neben Polnisch und Deutsch auch Englisch und Spanisch) zu einem wichtigen Instrument gemacht: „Meine Arbeit ist Kommunikation!“. Sie bietet unter anderem eine Rechtsratgeberformat auf einem polnischen Fernsehsender und im Magazin „Twoje Miasto“ an, schreibt für das Online-Magazin Polonia Viva, aber nicht nur über juristische Themen. So hat sie zum Beispiel das erste mit der Literatur-Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk geführt – einen Tag nach der Preisverleihung. So ist Anna Klimaszewska-Golan mit der Zeit zu einer Institution geworden.

Als Migranten sichtbar geworden

Weil ihr die Unterschiede beider Rechtssysteme vertraut sind, berät sie Polen in Deutschland, aber auch Deutsche, die Geschäfte in Polen machen wollen. Schwerpunkte sind Arbeitsrecht, prekäre Verhältnisse, Ausbeutung von Arbeitnehmern und soziale Themen. Über ihre Arbeit als Koordinatorin im Kölner Infopoint des Polregio e.V. berichtet sie: „Dieses Projekt ist auch wichtig für die politische Teilhabe. Denn kaum jemand wusste, dass wir an den Kommunalwahlen teilnehmen dürfen. Und dass es in den Kommunen Integrationsräte für die Belange von Migranten gibt, war gänzlich unbekannt.“
Die Migrantenvertretung ist in der Landesverfassung verankert
Bereits seit 1994 ist die Vertretung von Migranten – zunächst unter der Bezeichnung Ausländerbeirat – in der Gemeindeordnung NRW verankert. 2014 erfolgte die Namensänderung in Integrationsrat. Wahlberechtigt sind alle Ausländer und Staatenlose sowie EU-Bürger, außerdem alle Menschen, die neben der deutschen auch eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen – wie zum Beispiel Spätaussiedler – und in Nordrhein-Westfalen wohnen.
Anfang 2020 startete das Land mit „Ich – du – wir – NRW“ eine Partizipationskampagne, die angesichts der Coronapandemie kaum wahrgenommen wurde. „Erst im Sommer“, erinnert sich Anna, „erfuhr Polregio vom Landesintegrationsrat, dass der Verein Kandidaten für die Wahlliste aufstellen könne. Uns blieben bis zum Wahltermin gerade mal vier Monate für den Wahlkampf.“ Anna, die Kommunikatorin, setzte alles auf die Karte, die sie am besten zu spielen weiß: persönliche Kontakte. Mit ihrem Wahlslogan „Głos Polonii w Kolonii – die polnische Stimme in Köln“ stellte sie sich in der polnischen Gemeinde und in der polnischen Schule vor, bat das Generalkonsulat um Unterstützung, besuchte polnische Gastronomen und Ladenbesitzer. Auf offizielles schriftliches Material konnte sie dabei nicht zurückgreifen. „Über den Integrationsrat der Millionenstadt Köln gibt es Flyer und andere Infoschriften in vielen Sprachen, türkisch natürlich und russisch, sogar in Farsi, aber nichts auf Polnisch“, wundert sie sich noch heute. Mit Zustimmung des Kölner Integrationsrates übersetzte sie die Flyer für ihre Wahlkampagne kurzerhand selbst.
Mitstreiterinnen in anderen Kommunen ging es genauso, und es grenzt an ein Wunder, dass es immerhin landesweit 27 Vertreter polnischer Interessen in die Integrationsräte ihrer Kommunen geschafft haben. „Wir haben aus unsichtbar sichtbar gemacht“, freut sich Anna. Ausgerechnet in der größten Stadt Nordrhein-Westfalens betritt sie damit Neuland.
Thorsten Klute registriert aber generell ein gestiegenes Interesse der polnischen Einwanderer, sich politisch zu engagieren: „Immer mehr Polen finden nachdem sie heimisch geworden sind auch Zeit und Kraft, sich in die Gesellschaft einzubringen.“

Stadt der Vielfalt

Der Kölner Integrationsrat besteht aus 33 Mitgliedern, 22 davon werden direkt von der ausländischen Bevölkerung gewählt. Die elf anderen entsendet der Stadtrat nach Parteienproporz. Der Integrationsrat ist wie schon der Name vermuten lässt ein beratendes Gremium ohne Stimmrecht im Kommunalparlament. Aber da ein Drittel seiner Mitglieder Ratsherren und -frauen sind, stehen migrantenspezifische Themen regelmäßig auf der Agenda des Stadtparlaments. Aktuell geht es um den Bau eines Migrationsmuseums, ein Mahnmal zum Gedenken an die Opfer des NSU-Nagelbombenattentats 2004 und die Forderung nach mehr bilingualen Kitas.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker legt großen Wert auf interkulturelle Arbeit. Sie sagt: „Köln ist eine Stadt der Vielfalt! Die mittlerweile 40 interkulturellen Zentren sind ein wesentliches Element der Integration. Sie sind keineswegs Nischen für Menschen mit Migrationshintergrund, sondern fester Bestandteil der Kölner Aufnahmegesellschaft: für Vielfalt, Teilhabe und friedlichen Zusammenhalt.“ Für ihre Einrichtung und Förderung der stehen jährlich 600.000 Euro im städtischen Haushalt.
Auch wenn der Arbeitsbeginn in dem Gremium pandemiebedingt anders als üblich ablief, hat Anna Klimaszewska-Golan sich im Integrationsrat schnell zurechtgefunden. Zum ersten Mal ist hier eine Polin vertreten, noch dazu ohne Parteibuch. Das macht Anna stolz. Damit nicht genug: Sie kandidierte und wurde prompt zur ersten stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Und das ist für diese Powerfrau bestimmt nicht die letzte politische Karrierestufe.
Angelika Basdorf

Jessica Rosenthal: Generation Y will nach oben

Sie ist 28 Jahre alt und hat sich ein großes Ziel gesetzt: Jessica Rosenthal will bei der Bundestagswahl im September als Abgeordnete für den Bonner Wahlkreis in den Bundestag einziehen. Ausweislich ihres Jahrgangs gehört sie zur „Generation Y“. Die Ypsiloner gelten als die erste Generation in westlichen Gesellschaften, die ohne Systemalternative aufgewachsen ist, nach den großen Ideologien. Ihnen wird nachgesagt, sinnerfüllende Arbeit und Freizeit mit einem hohen Maß an sozialer Sicherheit verbinden zu wollen. Der Berliner Jugendforscher Klaus Hurrelmann macht auf die Multioptionsgesellschaft und Grenzenlosigkeit aufmerksam, in welcher die Generation Y groß geworden sei. Dazu passe, dass auffallend viele Berufsanfänger dieser Generation Ansprüche auf Führungspositionen erhöben und sich für Experten hielten. Ihnen wird außerdem gerne eine fehlende Bereitschaft attestiert, sich längerfristig an etablierte politische Organisationen binden zu wollen. Zumindest Letzteres gilt für das SPD-Mitglied Jessica Rosenthal nicht. Ihrem Beruf als Lehrerin entsprechend hat Zeitundlust-Autor M. J. Schulz mit ihr vor allem über Bildungspolitik gesprochen.

Bildungspolitik ist in der Regel Ländersache. Das führt in der Praxis zu vielen unterschiedlichen Regelungen und Lösungsansätzen. Gleichwohl kooperieren Bund und Länder in vielen Bereichen, zum Beispiel gibt der Bund Finanzhilfen wie beim Digitalpakt Schule oder durch das Gute-KiTa-Gesetz oder er fördert Wissenschaft, Forschung und Lehre mit. Sollte der Bund mehr Kompetenzen erhalten?

Jessica Rosenthal: Ja, der Bund muss gemeinsam mit den Ländern mehr Einfluss auf den Bildungsbereich nehmen können. Gerade im Bereich der Digitalisierung muss der Bund stärker unterstützen können, um einheitliche digitale Lernsysteme zu fördern. Die Bildungschancen eines Kindes dürfen nicht von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein. Deswegen muss auch der Bund mehr Kompetenzen in der Bildungspolitik erhalten.

Will im September als Abgeordnete in den Bundestag einziehen: die Lehrerin Jessica Rosenthal. Die 28-Jährige ist Vorsitzende der SPD in Bonn. Foto: shschroeder/SPD

In Deutschland beträgt der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am BIP 4,4 Prozent. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich in der unteren Hälfte, in Norwegen zum Beispiel liegt der Anteil bei 7,9 Prozent, in Finnland bei 6,38 Prozent und in Großbritannien bei 5,4 Prozent. Die Investitionen in den Bildungsbereich müssen dringend erhöht werden. Woher kann Deutschland die Bildungsmilliarden nehmen?

JR: Als SPD kämpfen wir schon lange für eine Vermögensteuer für große Vermögen. Diese kann für die Finanzierung im Bildungsbereich genutzt werden. Gleichzeitig müssen Investitionen in die Bildung insgesamt höher priorisiert werden. Kaum eine Investition ist so nachhaltig wie die in die Bildung unserer Kinder. Deswegen wollen wir auch bei den Ausgaben den Bildungsbereich priorisieren, um allen Kindern unabhängig vom Geldbeutel der Eltern die beste Bildung zu ermöglichen.

In NRW haben wir es mit vielen Langzeitbaustellen zu tun: Digitalisierung an Schulen, Schulstruktur, Inklusion, Sozialindex, Ganztag, Fachkräftemangel, Bezahlung von Erzieher*innen… Die Pandemie hat wie unter einem Brennglas die Schwächen schonungslos deutlich gemacht. Wo ist der Handlungsbedarf Ihrer Meinung nach am dringendsten?

JR: Wir sehen derzeit an fast jeder Schule bei uns, dass wir massiv in die Infrastruktur investieren müssen. Dabei geht es nicht nur um mehr Geld für die digitale Ausstattung der Schulen, sondern auch um Investitionen in die Substanz. Es darf nicht sein, dass Kinder nicht in der Schule auf die Toilette gehen wollen, weil die WCs so heruntergekommen sind. Schule ist nicht nur ein Lernort, sondern muss ein zweites Zuhause sein. Deswegen brauchen wir moderne Schulbauten, damit sich jedes Kind in der Schule wohlfühlt.

Bonn ist weithin bekannt als Geburtsstadt Ludwig von Beethovens. Er verließ mit 22 Jahren die Stadt, um berühmt zu werden. Foto: MOE-Agentur

An den Hochschulen grassiert das Befristungsunwesen. Was muss sich auf längere Sicht im Wissenschaftsbetrieb ändern?

JR: Die dauerhaften Befristungen im Wissenschaftsbetrieb müssen beendet werden. Forschung und Lehre sind gleichermaßen auf gute Wissenschaftler:innen angewiesen. Deswegen müssen wir den Mitarbeitenden im Wissenschaftsbetrieb auch eine faire langfristige Perspektive bieten. Denn Dauerbefristungen, insbesondere mit kurzen Fristen, sorgen für Unsicherheiten bei den Mitarbeitenden und beeinträchtigen auch deren wissenschaftliches Leistungsvermögen. Es muss daher mehr dauerhafte Stellen jenseits der Professuren an den Universitäten geben. Nur so können wir weiter exzellente Forschung und Lehre an unseren Universitäten gewährleisten.

Lehre und Studium finden aktuell unter Ausnahmebedingungen statt, mit weitreichenden Folgen für die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, Prüfungsmodalitäten und Regelstudienzeit. Wie können ein qualitätvolles Studium gewährleistet und zugleich die Beeinträchtigungen der Studierenden minimiert werden?

JR: Die Digitalisierung ist an den Universitäten lange verpasst worden. Gerade das erste Onlinesemester im vergangenen Frühjahr hat deutlich die Defizite in diesem Bereich aufgezeigt. Langfristig ist es wichtig, eine gute Balance zwischen digitaler Lehre und Präsenzlehre zu schaffen. Denn der Austausch in der Universität zwischen Dozierenden und Studierenden ist nicht digital ersetzbar. Deswegen ist es wichtig, dass nach der Pandemie gerade Veranstaltungen in kleineren Gruppen auch wieder in Präsenz stattfinden. Gleichzeitig bietet die Online-Lehre gerade bei Vorlesungen einige Vorteile, die wir auch nach der Pandemie weiter nutzen sollten.

Eine Universität gibt´s auch in Bonn, sehr ansprechend untergebracht im Kurfürstlichen Schloß. Davor die berühmte Hofgartenwiese. Foto: MOE-Agentur

Für einige Studierende steht nach dem Studium das Referendariat an. Derzeit läuft auch das unter Corona-Bedingungen, dementsprechend sorgenvoll schauen viele auf die bevorstehende unterrichtspraktische Prüfung. Sie haben selbst den Vorbereitungsdienst absolviert, wie könnte hier Abhilfe geschaffen werden?

JR: Die aktuelle Situation stellt uns alle vor Herausforderungen. Ich kann mich noch gut an die Nervosität und den Stress vor Abschluss meines Referendariats erinnern. Bei den jetzt anstehenden Prüfungen ist es wichtig, in den jeweiligen Einzelfällen Lösungen zu finden, die die Interessen der Referendar:innen sowie der Prüfungsordnungen gleichermaßen gut berücksichtig, sodass am Ende die Prüfungen trotz Corona gut absolviert werden können.

Alle Schulformen arbeiten derzeit im Spannungsfeld zwischen dem Recht auf Bildung, Bildungsgerechtigkeit und dem Recht auf Gesundheitsschutz. Von der Politik werden Lösungen gefordert, die allen Interessen Rechnung tragen. Eigentlich eine unlösbare Aufgabe, oder?

JR: Nein, eigentlich nicht. Mit einer klaren Priorisierung der Bildung und den Interessen der Schüler:innen und Lehrkräfte ließen sich gute Lösungen finden. Das würde jedoch auch bedeuten, dass wir bereit sein müssten, mehr Geld für Bildung auszugeben. Mit kleineren Lerngruppen, Unterstützung durch Studierende in den Schulen und mehr Lernräumen auch außerhalb der Schulen wären Unterrichtsmodelle möglich, die Bildungsgerechtigkeit und Gesundheitsschutz gleichermaßen gewährleisten würden. Leider ist die Politik insbesondere in Nordrhein-Westfalen hierzu nicht bereit, sodass die Interessen der Schüler:innen, Lehrkräfte und Eltern weiterhin ungehört bleiben.

Die Personalnot an den Schulen bekommt NRW seit Langem nicht in den Griff. Sie bedroht die Bildungsqualität, auch ohne Corona. Ein Faktor dabei ist die Besoldung. NRW weigert sich nach wie vor, gleichwertig ausgebildete Lehrkräfte gleich zu bezahlen. Will die Landesregierung eine verfassungskonforme Besoldung nicht finanzieren?

JR: Es zeigt sich deutlich, dass die schwarz-gelbe Landesregierung kein Interesse hat, Grundschullehrer:innen gerecht zu bezahlen – trotz anderslautender Versprechen der Bildungsministerin. Echte Lohngerechtigkeit gibt es nur mit der SPD. Grundschullehrkräfte leisten genauso viel wie ihre Kolleg:innen an den weiterführenden Schulen. Deswegen muss auch die Bezahlung gleich sein!

Die Digitalisierung von Schule und Unterricht hat innerhalb kurzer Zeit einen enormen Schub bekommen. Das ist einerseits begrüßenswert, hat andererseits zahlreiche Defizite offenbart, etwa bei Datenschutz, Fortbildungen und technischer Unterstützung. Wäre das nicht ein ideales Betätigungsgebiet für den Bund?

JR: Absolut! Gerade bei den Plattformen für digitales Lernen ergibt es nur wenig Sinn, dass jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht. Hier fordern wir als SPD eine länderübergreifende Plattform des Bundes, die datenschutzkonform digitales Lernen für alle Schulen in unserem Land ermöglicht. Mit dem Digitalpakt haben wir bereits die Grundlage geschaffen, damit sich der Bund stärker in diesem Bereich engagieren kann. Jetzt müssen wir auch Nägel mit Köpfen machen und der digitalen Bildung in Deutschland den dringend benötigten Schub verpassen!

Die Grundschulen müssen sich derzeit notgedrungen mit der Einführung neuer Lehrpläne befassen, weil die Landesregierung diese zum 1. August umgesetzt haben will. Nach Darstellung der Landesregierung ist das Ziel eine Fokussierung auf die Kernkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen mit besonderem Augenmerk auf die Rechtschreibung. Was sagen Sie?

JR: Das Rechtschreiblernen ist wichtiger Bestandteil in der Grundschule, darf jedoch nicht dem Schreiblernen insgesamt im Weg stehen. Denn durch zu starres Fokussieren auf Rechtschreibregeln schon während des Schreiblernprozesses kann schnell die Motivation der Schreibanfänger:innen zunichtegemacht werden. Daher ist fraglich, ob dieser einseitige Schwerpunkt in den Grundschulen zielführend ist.

Der Kita-Bereich ist ganz besonders vom akuten und sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel bestimmt. Was können Land und Bund tun, um die Berufszufriedenheit zu fördern und den Beruf für junge Menschen attraktiver zu gestalten?

JR: Es ist unverzichtbar, dass auch im Kita-Bereich eine bessere Bezahlung stattfindet. Erzieher:innen leisten tagtäglich eine wichtige und unverzichtbare Arbeit. Das muss sich auch am Ende in der Entlohnung bemerkbar machen. Denn nur mit einer attraktiven Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen werden wir den Beruf für junge Menschen interessanter machen.

Frühkindliche Bildung fokussiert sich zurzeit sehr stark auf den Bereich Betreuung, das heißt Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Frühkindliche Bildung heißt aber auch Bildung und Erziehung. Besonders der frühkindliche Bildungsbereich wurde in der Vergangenheit durch Studiengänge und Forschung stark gefördert, da man gemerkt hat, dass sie fundamental ist und die Entwicklung des Menschen darauf aufbaut. Sollte die Politik wieder mehr den Bildungsaspekt beleuchten?

JR: Ja. Kinder sollen in der Kita nicht bloße Betreuungsobjekte sein. Bereits in der Kita wird die Grundlage für die Bildungskarriere eines Kindes gelegt. Natürlich ist es wichtig, dass Kinder in der Kita genügend Freiräume haben. Dennoch spielt auch die frühkindliche Bildung eine wichtige Rolle, gerade auch im Bereich der Integration und der Entwicklung sozialer Kompetenzen.

Endverbraucher im Grosshandel

METRO öffnet in NRW für alle

Ein Kommentar von DenkverMOEgen

Gastronomen sind die besten Kunden der Metro-Großmärkte. Seit dem 2. November kaufen aber nur noch die dort ein, die Alternativen zu ihrem stationären Gaststättengeschäft entwickelt haben. Das sind nicht viele. Deshalb haben die Metro-Märkte seit dem 3. November ihre Türen auch für Endverbraucher geöffnet. „Sicher einkaufen in der Corona-Pandemie“ titelt die Metro GmbH. Aber was unterscheidet das sichere Einkaufen in den Cash-and Carry-Märkten vom Einkauf im normalen Supermarkt? Zunächst einmal eine größere Auswahl. Wo sonst findet man 50.000 Artikel auf einer einzigen Verkaufsfläche? Günstigere Preise? Da muss man schon genauer hinschauen. Denn diese lassen sich hauptsächlich erzielen, wenn man Großgebinde kauft – zehn Tafeln Schokolade, 90 Eier, 20 Koteletts.

Aber der Andrang und die Neugier der Endverbraucher ist trotzdem groß, schon auf dem Parkplatz. Und im Markt erkennt man sie daran, dass sie zunächst ein wenig orientierungslos durch die Gänge irren – und daran, dass sie die Großgebinde aufreißen, um einzelne Flaschen, Pakete oder Salatköpfe zu entnehmen. Die böse Überraschung folgt dann an der Kasse, wenn sie diese wieder zurücklassen müssen.

Zwar ist in den Großmärkten tatsächlich mehr Platz als in normalen Supermärkten, was das Einkaufen sicherer macht als dort. Aber: Die vielen kleinen, die Gänge verstellenden Einkaufswagen bedeuten für die gewerblichen Einkäufer Stress. Es kostet einfach mehr Zeit, seine Liste abzuarbeiten. Vor allem, wenn ganze Familien vor den Regalen darüber diskutieren, ob Maggi oder Knorr die richtige Wahl ist.

Dabei sieht die Coronaverordnung von Nordrhein-Westfalen doch vor, möglichst allein oder maximal zu zweit einkaufen zu gehen. Liebe Mitbürger! Das gilt auch für die Metro. Liebe Metro! Darauf könntest du deine Neu-Kunden hinweisen.

Und wie immer ist es das Personal, das sich mit dem anderen Käuferverhalten auseinandersetzen muss. Ja, Auseinandersetzen ist das richtige Wort. Denn die Diskussionen um unverkäufliche Teilgebinde sind für die Kassiererinnen eine der neuen Herausforderungen. Eine andere dürfte die höhere Ansteckungsgefahr sein. Mehr Kunden, mehr Personenkontakte, höheres Infektionsrisiko – nicht zuletzt auch für die Gewerbekunden, die sich ihren Einkaufsraum jetzt mit Menschen teilen, die das Einkaufen im Metro-Markt als willkommenes Abenteuer in der ereignisarmen Zeit genießen und nicht als Arbeit.

Unterirdisches Erlebnis

Unweit des Ebertplatzes, wo sich Ende des 19. Jahrhunderts ein Weingut befand, entsteht etwas Neues. Wo auf 2.000 unterirdischen Quadratmetern einst die Rebsäfte des Winzers Engels lagerten, wird Wein bald wieder eine Rolle spielen. Ein erster Einblick in den Gewölbekeller verheißt Genuss.

In der Kölner Winebank werden Freunde des guten Tropfens aufeinandertreffen, trinken und die Schätze aus ihren Schließfächern miteinander teilen. Oder sie lernen an der Tasting-Bar neue Weinsorten kennen. Regelmäßige kulinarische Events erhöhen den Reiz der Mitgliedschaft im Club der Weinliebhaber, wie Winebank-Managerin Claudia Stern verspricht. Beim ersten Event an diesem magischen Ort servierten Olivenbauer Bastian Jordan (rechts) und Sommelier Antonius Askitis (links) Geschmackskompositionen aus verschiedenen Olivensorten und Weinen griechischen Ursprungs.

 

Steffen Henssler hat eine neue …

… Küche.

neue Event-Location an der Elbe: die Küche von Steffen Henssler
Neue Event-Location an der Elbe: die Küche von Steffen Henssler

Dahinter verbirgt sich eine Mischung aus Kochschule und Event-Location. Bereits diese Woche fanden hier die ersten Kochkurse statt. Bei einem tollen Blick auf die Elbe lernen die Teilnehmer alles über “Hensslers Sushi-Geheimnisse”, “Das perfekte 4-Gang-Menü” oder “Hensslers Weihnachtsmenü”. Auch für die ganz Kleinen gibt es noch in diesem Jahr unter dem Titel “Santa Claus Is Coming” einen Kochkurs.