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Vom Warum zum Darum

Aachens Dombaumeister lüftet ein Altstadtgeheimnis

Als Aachen am 21. Oktober 1944 vor den Amerikanern kapituliert, ist die Stadt zu 57 Prozent zerstört.Und das wird sie bis 1949 bleiben. Nicht zuletzt dieser Wiederaufbausperre ist es zu verdanken, dass der Aachener Dombaumeister Dr. Jan Richarz dem System „Rekonstruktion durch Translozierung“ mit detektivischer Akribie nachspüren konnte. Das Ergebnis seiner über 500 Seiten umfassenden Dissertation wurde jetzt in Bonn mit dem Paul-Clemen-Preis des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) ausgezeichnet.

Richarz dokumentiert anhand von 50 Fällen, dass in Aachen häufiger als anderswo ab 1945 bei Hausabbrüchen wertvolle Fassaden systematisch abgenommen wurden, um sie später an anderer Stelle in neuen Gebäuden wieder einzubauen.

Das zunächst hoch geschätzte „Aachener Modell“ liefert jedoch auch Anlass zu Kritik. Denn die heutige Altstadt ist in Wirklichkeit eine fiktive Neuerfindung. „Die Menschen suchen nach der Kontinuität im Stadtbild für ihre eigene Identifikation mit ihrer Stadt“, schreibt Richarz. Deshalb werde bei aller Kritik an Rekonstruktionen und Kopien verlorener Bauten die Translozierung und das Einfügen echter Altsubstanz in Neubauten oft als Rettung verstanden und als Lösung toleriert.

Der mit 10.000 Euro dotierte Paul-Clemen-Preis des LVR – benannt nach dem ersten Provinzialkonservator der Rheinprovinz – wird für herausragende wissenschaftliche Arbeiten zur Erforschung der rheinischen Kunst verliehen.

Angelika Basdorf (bf)

Foto: Dombaumeister Dr. Jan Richarz (rechts) und sein Doktorvater, Professor Dr. Christian Raabe vor dem Aachener römischen Portikus im LVR Landesmuseum Bonn.

Foto: Basdorf

Geschichte der Tuchmacher bleibt lebendig

Der Rheinlandtaler des LVR geht an das Projekt Aachener Tuchwerk: Karin Schmitt-Promny überreichte ihn an Jochen Buhren und Andreas Lorenz (v.l.)

Der Geruch von Stoffballen vermischt mit dem nach Maschinenöl, der Gegensatz von zartem Gewebe und schwerem Gerät: Das sind die Kindheitserinnerungen von Jochen Buhren. Diese, so erzählt er, waren sein Antrieb, die Geschichte der Tuchmacher im Aachener Raum zu erhalten.

Dieses Engagement wurde Anfang Mai mit der Verleihung des Rheinlandtalers an Tuchwerk Aachen e.V. für die „Verdienste um eine aktive Erinnerungskultur“ gewürdigt. Wenngleich seit dem Mittelalter ein wichtiges Standbein der Aachener Städteregion sei dieses Stück Industriegeschichte bis Mitte der 1990er-Jahre ein blinder Fleck gewesen, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland Karin Schmitt-Promny in ihrer Laudatio.

2001, als laut Jochen Buhren die regionale Tuchmacherei im Sterben lag, fand sich um ihn und seinen Mitstreiter Andreas Lorenz eine kleine Gruppe Gleichgesinnter zusammen, um dafür einen Erinnerungsort zu schaffen. Aber es sollte noch viele Jahre mit einigen Rückschlägen dauern, bis aus der Idee ein Projekt werden konnte.

Der Verein besitzt und unterhält eine Sammlung von etwa 30 großen Textilmaschinen aus unterschiedlichen Epochen und technischen Entwicklungsstufen sowie historische Nähmaschinen. Außerdem existiert ein Archiv an Musterbüchern, Fotos, Geschäftskorrespondenz und teils ganzen Firmennachlässen von Textilunternehmen und deren Zulieferern.

In Kooperation mit der Margarete-Lorenz-Stiftung und der Tuchwerk Soers GmbH entwickelte sich das Tuchwerk Aachen zu einem Wissens- und Kulturstandort. Geplant ist, das Depot weiter auszubauen, die Sammlungen zu erweitern und den Status eines offiziellen Museums zu erhalten.

Der Kultur- und Wissensstandort, Strüverweg 116, 52070 Aachen, ist montags bis donnerstags von 10 bis 15 Uhr und freitags von 10 bis 12 Uhr frei zugänglich. Führungen können unter info@tuchwerk-aachen.de vereinbart werden.

www.tuchwerk-aachen.de